§ 616 BGB – bezahlte Freistellung

Gemäß § 616 BGB ist der Arbeitgeber ver­pflichtet, Arbeitnehmer „für eine verhält­nismäßig nicht erhebliche Zeit“ nicht nur freizustellen, sondern in dieser Zeit auch die Ver­gütung fortzuzahlen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Arbeit­nehmer aus per­sönlichen Gründen ohne Verschulden an der Erbringung der Arbeitsleistung verhin­dert sind. Im folgenden wollen wir hierzu einige Beispiele aus der Praxis bringen:

Gibt es eine bezahlte Freistellung bei einem Arztbesuch während der Ar­beitszeit?

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer versuchen, den Termin zur Untersuchung in arbeitsfreie Zeiten zu legen. Ist dies nicht möglich, besteht Anspruch auf bezahlte Freistellung (vgl. BAG Urteil vom 27.06.1990, Az. 5 AZR 365/89). Nimmt der Arbeit­nehmer jedoch an einer im Betrieb geltenden Arbeitszeitregelung teil, so kann er für die Arztbesuche während der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen.

Hochzeit

Wird in einem Tarif- oder Einzelvertrag eine Freistellung „zur Eheschließung“ festge­legt, so ist darunter sowohl die bürgerliche Eheschließung vor dem Standesamt als auch die kirchliche Eheschließung zu verstehen. Der Arbeitnehmer hat nach § 315 BGB ein Wahlrecht, welches der beiden Ereignisse er zur Freistellung nutzt. Stehen ihm zwei Tage zu, kann er auch zu je einem Tag zu jedem der beiden Anlässe be­zahlte Freistellung nehmen. Auch eine Freistellung für die Goldene Hochzeit ist zu gewähren, da es sich hier – so das BAG in seinem Urteil vom 25.10.1973, 5 AZR 156/73 um eine „besonders stark ausgeprägte sittliche Verpflichtung“ han­delt.

Erkrankung naher Angehöriger

Unvorhersehbare Erkrankungen naher Angehöriger, die die häusliche Pflege durch einen Arbeitnehmer erfordern, gelten als persönliches Leistungshindernis im Sinne von § 616 BGB, so das BAG vom 20.06.1979, 5 AZR 479/77. Dies kann die Erkrank­ung eines Kindes, aber auch eines Ehepartners sein.

Geburt eines Kindes

Auch für die Niederkunft der Ehefrau gibt es bezahlte Freistellung. Hierbei kommt es nicht dar­auf an, ob die Ehefrau aus dem Wochenbett schon wieder auferstanden ist und auch nicht darauf, wo die Niederkunft stattgefunden hat. Das heißt, einem Mitar­beiter steht ein freier Tag für die Geburt seines Kindes auch dann zu, wenn die Ehe­frau in Spanien niedergekommen ist und der freie Tag nicht zum Besuch der Ehefrau genutzt wird (vgl. hierzu BAG Urteil vom 12.12.1973 4 AZR 75/73).

Gebetspausen

Gläubige Arbeitnehmer sind unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange wegen des Grundrechtes auf ungestörte Religionsausübung berechtigt, den Arbeitsplatz zur Abhaltung kurzfristiger Gebete zu verlassen. Daher besteht auch hier ein Leistungs­hindernis nach § 616 BGB mit bezahltem Anspruch auf Freistellung.

 Zuspätkommen z.B. wegen Verkehrsstau

Kein Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht, wenn ein Arbeitnehmer überhaupt nicht oder zu spät zur Arbeit kommt, weil es einen Verkehrsstau gab oder er wegen der Witterungsverhältnis­se, zum Beispiel Eisglätte, starker Schneefall etc. den Ar­beitsplatz überhaupt nicht erreichen konnte (vgl. hierzu BAG vom 08.09.1982, 5 AZR 283/80).

Ehrenamt

Bei Ausübung eines Ehrenamts (z.B. als ehrenamtlicher Richter oder in der Selbst-verwaltung der Sozialversicherung) liegt grundsätzlich ein Fall der persönlichen Ver­hinderung im Sinne des § 616 BGB vor, sofern die Tätigkeit notwendigerweise in die Arbeitszeit des Arbeitnehmers fällt und nicht z.B. Gleitzeit in Anspruch genommen werden kann.

Zu beachten ist, dass § 616 BGB abdingbar ist, das heißt, der Arbeitgeber kann im Arbeitsvertrag die Anwendbar­keit von § 616 ausschließen. In dem Fall besteht nur Anspruch auf unbezahlte Arbeitsfreistellung für die Betroffenen, jedoch keine Ent­geltfortzah­lung. Daher sollten die Arbeitnehmer darauf achten, dass in ihren Ar­beitsverträgen keine Aus­schlussklausel vorhanden ist.