Urlaubsgeld und jährliche Sonderzahlung nicht auf Mindestlohn anrechenbar
Der Arbeitgeber darf ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, ist unwirksam.
1. Sachverhalt der Entscheidung
Die Arbeitnehmerin wurde von der Arbeitgeberin gegen eine Grundvergütung von EUR 6,44 je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt; sie erhielt ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis und bot ihr gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von EUR 8,50 bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen, so das Arbeitsgericht Berlin im Urteil vom 04.03.2015 (Aktenzeichen 54 Ca 14420/14).
2. Begründung des Arbeitsgerichts
Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig; so die überzeugende Begründung des Arbeitsgerichts.
3. Welche weitere Folge hat das Urteil für Arbeitnehmer?
Das Urteil bestätigt die Rechtsauffassung, die unserer Kanzlei in einer Vielzahl von Verfahren vertritt. Arbeitnehmer erhalten zusätzlich zum Mindestlohn alle Zahlungen, die sie als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhalten, wenn sie auf Verlangen ein Mehr an Arbeit oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leisten.
4. Welche konkreten zusätzlichen Zahlungen erhalten Arbeitnehmer neben dem Mindestlohn?
Dies sind nach unsere Ansicht insbesondere:
- Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge,
- Zulagen für Qualität, Quantität und besondere Leistungen (z. B. Akkordzulage),
- Aufwendungsersatz,
- Spesen,
- vermögenswirksame Leistungen,
- Trinkgelder, d.h. Geldbeträge, die ein Dritter (Kunde) ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu seiner dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt. (vgl. auch § 107 Abs. 3 GewO).
5. Fazit
Wenn man es allgemein formuliert, erhalten Arbeitnehmer zusätzlich zum Mindestlohn alle Zahlungen, die sie als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhalten, wenn sie auf Verlangen ein Mehr an Arbeit oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leisten.