Betriebe sind keine meinungsfreien Zonen oder Umgang mit beleidigenden oder fremdenfeindlichen Äußerungen im Arbeitsrecht (Teil 2 von 7)

Eine bestimmte Meinung zu vertreten, daFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Wirlitschfür einzustehen und sie öffentlich zu äußern ist ein zentrales Grundrecht in demokratisch organisierten Staaten und damit auch in Deutschland. Ohne Meinungsfreiheit funktioniert kein demokratischer Staat, auch Arbeitnehmer/innen können ihre Meinung frei äußern, ohne dass der Arbeitgeber ihnen grundsätzlich einen Knebel verpasst.

I. Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) im Allgemeinen

1. Schutzbereich (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG)

Nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Art. 5 GG schützt zum einen die Äußerung von Werturteilen und zum anderen Tatsachenbehauptungen, soweit sie Voraussetzung für die Bildung einer Meinung sind.

Werturteile sind Äußerungen, die durch Elemente der subjektiven Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind und daher nicht wahr oder unwahr sind. Ihr Schutz hängt nicht davon ab, ob die Äußerung rational oder emotional oder auch für den Empfänger nützlich oder schädlich ist (BAG, Urt. v. 24.11.2005, 2 AZR 584/04). Lediglich Aussagen, bei denen die Diffamierung einer Person im Vordergrund steht (sog. Schmähkritik) sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.

2. Einschränkbarkeit (Art. 5 Abs. 2 GG)

Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht vorbehaltlos gewährleistet. Gem. Art. 5 Abs. 2 GG kann sie durch Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre eingeschränkt werden. Neben diesen ausdrücklich vorbehaltenen Schranken, kann sich die Einschränkbarkeit des Grundrechts auch aus verfassungsimmanenten Schranken ergeben. Zu diesen zählen die Grundrechte Dritter und andere Güter von Verfassungsrang.

Ob ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer/in kündigen darf, nur weil er eine Meinung geäußert hat, kann nur im konkreten Einzelfall entschieden werden und ist unter Umständen auch schwierig zu beantworten.

Die Arbeitsgerichte haben dann die Aufgabe im Einzelfall die Grundrechte gegeneinander abwägen mit dem Ziel, die widerstreitenden Grundrechte jeweils zur optimalen Geltung zu verhelfen und einen optimalenAusgleich herzustellen. Man spricht hier von der sog. „praktischen Konkordanz“.

 

Arbeitsrecht Anwalt

 

kanzlei@wirlitsch-arbeitsrecht.de

Michael D. Wirlitsch Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, M.A.E.S. (Univ. Basel) Lehrbeauftragter an der Universität Konstanz, Arbeitsrecht für Geisteswissenschaftler; Mitkommentator des Landespersonalvertretungsrecht für Baden Württemberg, 3. Auflage 2016