Der Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz im Arbeitsrecht

I. Leidensgerechter Arbeitsplatz – was ist das?

Immer mehr Arbeitnehmer/innen sind auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen, also auf Grund von Krankheit oder Behinderung, nicht mehr in der Lage, ihre im Arbeitsvertrag verein­barten Tätigkeiten so zu erbringen wie bisher.

Handelt es sich hierbei um einen Dauerzustand, darf der Arbeitgeber grundsätzlich die Zahlung der Vergütung verweigern oder aber das Arbeitsverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen beenden.

Um Langzeiterkrankte oder schwerbehinderte Arbeitnehmer/innen hiervor zu schützen, hat die Rechtsprechung die Grundsätze zum sogenannten leidensgerechten Arbeitsplatz entwickelt. Ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist ein Arbeitsplatz, den der Arbeitnehmer trotz seiner gesund­heitlichen Beeinträchtigungen ausfüllen kann. Auf Verlangen des Arbeitnehmers, der auf Grund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann, muss der Arbeitgeber ihm eine andere Arbeit zuweisen, die mit seiner Erkrankung vereinbar ist. Dies ergibt sich aus der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB. Vor­aussetzung ist allerdings, dass diese andere Arbeit von seinem Arbeitsvertrag erfasst wird (vgl. Urteil des BAG vom 19.05.2010, AZ.: 5 AZR 162/09, NZA 2010, Seite 1119 ff.).

 

II. Was muss der Arbeitnehmer konkret tun?

Der Arbeitnehmer muss dazu die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz vom Arbeitgeber verlangen. Dabei muss er dem Arbeitgeber mitteilen, wie er sich seine weitere Beschäftigung vorstellt. Das heißt, er muss im konkreten Fall andere Arbeitsplätze benennen, auf denen er leidensgerecht weiterbeschäftigt werden kann. Diesem Ver­langen muss der Arbeitgeber regelmäßig entsprechen, wenn es in seinem Betrieb einen passenden Arbeitsplatz gibt und ihm die Zuweisung einer anderen Tätigkeit zumutbar und rechtlich möglich ist.

 

III. Kann der Arbeitgeber ablehnen?

Der Arbeitgeber kann die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes nur dann ablehnen, wenn sie ihm unzumutbar oder rechtlich unmöglich ist. Das bedeutet, es dürfen keine betrieb­lichen Gründe entgegenstehen, wie zum Beispiel die Rücksichtnahmepflicht gegenüber anderen Arbeitnehmer/innen oder wirtschaft­liche Erwägungen. Unproblematisch für den Arbeitgeber ist die Zuweisung, soweit ein freier Arbeitsplatz besteht.

Soll ein mit einem anderen Arbeitnehmer besetzter Arbeitsplatz zugewiesen werden, so ist dies rechtlich nur dann für den Arbeitgeber unproblematisch, soweit er diesem Kraft Di­rektionsrecht ebenfalls einen anderen Arbeitsplatz zu­weisen kann.

In Betracht kommt außerdem auch eine leidensgerechte Umgestaltung des derzeitigen Arbeits­platzes des betroffenen Arbeitnehmers.

 

IV. Wer hat Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz?

Die Grundsätze zum sogenannten „leidensgerechten Arbeitsplatz“ gelten für Schwerbehinderte, also Menschen, die einen GdB von 50 aufweisen, sowie den schwerbehinderten Menschen Gleichgestellte, die einen GdB von 30 oder 40 aufweisen und bei der Arbeitsagentur die Gleich­stellung beantragt und bewilligt bekommen haben. Hier ergibt sich ein Anspruch aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 1 SGB IX, entsprechend den eigenen Fähigkeiten und Kenntnissen beschäftigt zu wer­den. Hierdurch wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers konkret beschränkt (vgl. BAG, NZA 2006, 1214).

Sie gelten aber nach der neueren Rechtsprechung auch für Arbeit­nehmer/innen, die nicht schwerbehindert oder gleichgestellt sind, die aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung haben, die es ihnen unmöglich macht, die bisher im Rahmen des Arbeitsvertrages zugewiesene Tätigkeit weiter auszuüben.

 

V. Umsetzung des Anspruchs in der Praxis

In diesem Zusammenhang ist die Durchführung des betrieblichen Eingliederungs­managements nach § 84 Abs. 2 SGB IX von entscheidender Bedeutung. Hier sollen der/die Betroffene, der Arbeitgeber, der Betriebsarzt, der Integrationsfachdienst und die Betriebsvertretung sowie bei schwer­behinderten Arbeitnehmern die Schwerbehindertenvertretung an einem Tisch zusammen­kommen, um zu klären, wie der/die Betroffene zukünftig trotz gesundheitlicher Einschränkungen im Betrieb eingesetzt werden kann. Die Betriebsvertretung sollte zusammen mit dem Arbeitgeber im Rahmen einer Betriebsvereinbarung die konkrete Vorgehensweise im Einzelfall fest­legen. Dies gilt sowohl für die Durchführung des Verfahrens nach § 84 Abs. 2 SGB IX als auch für die Vorgehensweise bei der Suche nach einem leidens­gerechten Arbeitsplatz für gesundheitlich ein­geschränkte Arbeitnehmer/innen. Soweit es innerbetrieblich nicht zu einer einvernehmlichen Lösung kommt, hat der Betroffene die Möglichkeit, beim Arbeitsgericht den Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz einzuklagen; in besonders eilbedürftigen Fällen im Wege der einstweiligen Verfügung.