Der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz

1. Rechtsgrundlage

Ab 1.8.2013 hat jedes Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Dabei richtet sich der Umfang der täglichen Förderung nach dem individuellen Bedarf. Dieser Anspruch wird ab 1.8.2013 in § 24 Abs. 2 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) zu finden sein und gewährt einen einklagbaren Rechtsanspruch.

2. Wer hat Anspruch auf einen Krippenplatz?

Laut Gesetz hat jedes Kind zwischen einem und drei Jahren Anspruch auf Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege, also bei einer Tagesmutter. Den An-spruch kann daher das Kind, vertreten durch seine Erziehungsberechtigten, geltend machen. Da Zweck der Regelung aber nicht nur die frühkindliche Förderung ist, sondern auch die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, hat das OVG Koblenz in einem vergleichbaren Fall auch der Mutter ein Klagerecht zuerkannt.

3. Gegen wen richtet sich der Anspruch?

Anspruchsgegner ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, also in der Regel das Jugend-amt als Organisationseinheit der Kommunalverwaltung. Zu verklagen ist dann – je nachdem, wo der Fall sich zuträgt- entweder die Stadt, der Landkreis oder die Gemeindeverwaltung.

4. Was beinhaltet der Anspruch?

Im Gegensatz zur alten Rechtslage besteht ab 1.8.2013 nicht nur die objektiv-rechtliche Ver-pflichtung des Trägers, für die Bereitstellung von Plätzen durch entsprechende langfristige Planung Sorge zu tragen, sondern ein subjektiv-rechtlicher Anspruch für jedes einzelne Kind. Das bedeutet, jedes einzelne Kind kann seinen Anspruch gerichtlich durchsetzen. Der Träger kann nicht einwenden, es gebe nicht genügend Plätze oder es fehle an finanziellen Mitteln. Allerdings ist es tatsächlich so, dass der politische Anspruch, für jedes Kind einen Krippenplatz bereitzustellen, in vielen Städten, so auch in Konstanz, nicht erreicht wurde und es faktisch zu wenig Plätze gibt. Auch ein Verwaltungsgericht wird keine Stadt zwingen können, das Kind einer vorhandenen Krippe zuzuweisen, ohne bestimmte Qualitäts-standards (Betreuungsschlüssel, Raumgröße) zu unterschreiten.

In dem Fall kann sich der neben den Anspruch auf Bereitstellung eines Krippenplatzes ein zusätzlicher Anspruch auf Schadensersatz hinzutreten. Der Schaden kann entweder darin bestehen, dass für eine private Kinderbetreuung mehr Geld aufgewendet werden muss, als die öffentliche Krippe gekostet hätte (Tagesmutter, Kinderfrau oder Einrichtung in der Schweiz) oder auch in einem Verdienstausfall, weil ein Elternteil eine Stelle nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten oder nach der Elternzeit wieder aufnehmen kann.

5. Wie müssen Eltern vorgehen, die einen Anspruch geltend machen möchten?

Zunächst müssen die Eltern den Kita-Platz unter Beachtung der Verfahrensregeln bean-tragen. Hierüber erteilt das Jugendamt Auskunft. Nach Erhalt eines ablehnenden Bescheides kann binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Die Praxis in Konstanz sieht aller-dings so aus, dass eine schriftliche Zusage nur diejenigen erhalten, die einen Kita-Platz be-kommen haben. Schriftliche Absagen werden nicht verschickt. Wer gegen eine Ablehnung vorgehen möchte, sollte daher auf einer schriftlichen Absage bestehen. Alternativ kann, wenn binnen einer angemessenen Frist (laut Gesetz mindestens drei Monate) keine Antwort des Trägers erfolgt ist, auch direkt die sogenannte Untätigkeitsklage erhoben werden. Die Klage wäre auf Zuteilung eines Krippenplatzes ab einem bestimmten Zeitpunkt zu richten, hilfsweise auf Ersatz des Schadens, der durch die Nichterfüllung des Anspruchs entstanden ist.

6. Wie hoch sind die Chancen, diesen Prozess zu gewinnen?

Da das Gesetz erst zum 1.8.2013 in Kraft tritt, gibt es hierzu noch keinerlei Rechtsprechung. Als Vorreiter kann aber das bereits erwähnte Verfahren vor dem OVG Koblenz gelten, in dem Mutter und Tochter den Anspruch auf den Krippenplatz bzw. Schadensersatz für die privat organisierte Kinderbetreuung gegenüber der Stadt Mainz geltend machten. Das Land Rheinland-Pfalz gewährt bereits seit dem Jahr 2010 Kindern ab zwei Jahren einen Anspruch auf kostenlose Kinderbetreuung. Die klagende Familie hatte aber im gesamten Mainzer Stadtgebiet keinen Platz in einer öffentlichen Kindertageseinrichtung bekommen und musste ihr Kind in einer privaten – kostenpflichtigen- Kita unterbringen. Hier hat das OVG Koblenz im sog. „Kita-Urteil“ vom 25.10.2012 (Az. 7 A 10671/12 OVG) der Familie in zweiter Instanz Recht gegeben und einen Kostenerstattungsanspruch zugestanden. In dritter Instanz wird das Bundesverwaltungsgericht noch entscheiden. Im Moment stehen die Chancen, einen solchen Prozess zu gewinnen, somit nicht schlecht. Eine Klage sollten all diejenigen in Er-wägung ziehen, die einen finanziellen Nachteil dadurch haben, dass sie keinen Krippenplatz bekommen haben; sei es, dass sie sich selbst eine teurere Kinderbetreuung organisieren, sei es, dass sie ihren Arbeitsbeginn aufschieben müssen.