Eingeimpftes Arbeitsrecht | Teil I

Darf der Arbeitgeber nach dem Impfstatus des Arbeitnehmers fragen?

In diesem Abschnitt sollen zunächst datenschutzrechtliche Bedenken behandelt werden.

Beim Impfstatus handelt es sich um Gesundheitsdaten einer natürlichen Person, deren Verarbeitung – also auch die arbeitgeberseitige Frage, ob ein Arbeitnehmer geimpft ist – gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich untersagt ist. Es bedarf also eines der in den folgenden Absätzen des Art. 9 DSGVO genannten Ausnahmefälle, damit derartige personenbezogene Daten verarbeitet, also Arbeitnehmer nach ihrem Impfstatus gefragt werden dürfen.

Nach einer Meinung soll die Abfrage durch den Arbeitgeber unabhängig von weiteren Erfordernissen zulässig sein, da er ein gerechtfertigtes Interesse daran habe, zu wissen, welche Infektionsgefahr von seinen Arbeitnehmern ausgeht.

Die Gegenansicht hält dem entgegen, die Abfrage sei grundsätzlich unzulässig, da in der Regel keiner der genannten Ausnahmefälle einschlägig sei und der Impfstatus somit eine reine Privatangelegenheit des Arbeitnehmers sei. Hiernach wäre die Abfrage nur in zwei Fällen zulässig. Zum einen wenn der Arbeitgeber für die Gesundheit weiterer Arbeitnehmer und ggf. Kunden zu sorgen hat und zum andern gemäß § 23a IfSG (Art. 9 Abs. 2 Buchst. i DSGVO) in medizinischen Einrichtungen (Bsp. Krankenhäuser, Arztpraxen, ambulante Pflegedienste).

In der Praxis dürfte sich die zweite – also strengere Meinung – durchsetzen. Dem ist vor dem Hintergrund zuzustimmen, dass Gesundheitsdaten in der DSGVO einen erheblichen Schutz erhalten haben. Dieser Schutzstatus darf auch in Pandemiezeiten nicht grundlos ausgehöhlt werden.   

In den Fällen, in denen die Abfrage also zulässig ist (Meinung 1 – immer; Meinung 2 – nur in Ausnahmefällen), muss sie vom Arbeitnehmer wahrheitsgemäß beantwortet werden.

Darf der Arbeitgeber am Arbeitsplatz eine Impfpflicht einführen?

1. Aufgrund einer gesetzlichen Grundlage

Eine gesetzliche Impfpflicht bezüglich der Corona-Impfung besteht (noch) nicht – anders bei der seit März 2020 geltenden „Masernimpfpflicht“ in einigen Beschäftigungsbereichen (§ 20 Abs. 9 S. 6, 7 IfSG). Auch wenn gesetzlich die Möglichkeit einer Impfpflicht vorgesehen ist (§ 20 Abs. 6 IfSG – bundesrechtlich / § 20 Abs. 7 IfSG – landesrechtlich), sind derzeit keine politischen Bestrebungen hinsichtlich der Einführung einer Corona-Impfpflicht kund getan.

2. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung / eines Tarifvertrags

Gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG sind der Arbeitgeber und der Betriebsrat dazu verpflichtet, bei ihren Regelungen die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu achten und zu schützen. Bei entsprechenden Vereinbarungen ist die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten der Arbeitnehmer zu beachten (BAG 12.4.2011 – 1 AZR 412/09). Entsprechendes gilt für die Vereinbarung eines Tarifvertrags.

Bei der Abwägung von den schwerwiegenden Grundrechten der Arbeitnehmer (insb. Persönlichkeitsrecht und Recht auf körperliche Unversehrtheit) mit dem (betrieblichen) Interesse an einem umfassenden Schutz vor Infektionen bzw. Corona-Ausbrüchen, dürfte eine uneingeschränkte Impfpflicht in der Regel nicht zu rechtfertigen sein (vgl. Punkt 4). Daher ist die Normierung einer Impfpflicht in einer Betriebsvereinbarung / einem Tarifvertrag grundsätzlich unzulässig.

3. Aufgrund des Arbeitsvertrags

Eine individualvertragliche Vereinbarung, dass sich der Arbeitnehmer impfen lassen muss ist grundsätzlich vorstellbar. Sollte dies allerdings in Form von allgemeinen Geschäftsbedingen geschehen, müsste die entsprechende Regelung der AGB-Kontrolle (§§ 305  ff. BGB) – insb. der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB – standhalten. Die Sachlage ähnelt der Einführung von Pflichten, ärztliche Untersuchungen durchführen zu lassen und geht dem Grunde nach aufgrund des erheblichen körperlichen Eingriffs darüber hinaus. Die Rechtsprechung unterscheidet bei der Beurteilung, ob solche Pflichten zur ärztlichen Untersuchung zulässig sind, nicht zwischen einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Pflichten, daher kann auf die Ausführungen in Punkt 2 verwiesen werden. Die AGB-Regelung dürfte somit grundsätzlich unwirksam sein.

4. Aufgrund des Weisungsrechts des Arbeitgebers (§ 106 GewO)

Der Arbeitgeber muss seine Weisungen nach billigem Ermessen vornehmen und somit u.a. eine Interessenabwägung durchführen. Vorliegend stehen sich die Grundrechte des Arbeitnehmers (insb. Persönlichkeitsrecht, Recht auf körperliche Unversehrtheit) und das (wirtschaftliche) Interesse des Arbeitgebers an einer Impfpflicht gegenüber.

Die Meinungen hierzu gehen in der juristischen Diskussion weit auseinander. Während die einen davon ausgehen, dass eine generelle Impfpflicht unzulässig ist, weil immer die Grundrechte des Arbeitnehmers überwiegen, der Eingriff in die körperliche Integrität schwerwiegend ist, die Impfstoffe noch nicht in Langzeitstudien erforscht sind und eine Corona-Impfung regelmäßig keine Voraussetzung für die ordnungsgemäße Leistungserbringung seitens des Arbeitnehmers ist, nehmen die anderen an, dass der Arbeitgeber gegenüber jedem Arbeitnehmer (egal in welcher Branche) eine Impfpflicht anordnen kann. Diese Meinung geht maßgeblich davon aus, dass die bisher bei den „üblichen“ Krankheiten vorgenommen Abwägung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen, die grundsätzlich zugunsten der Arbeitnehmerinteressen ausfiel, nicht auf die Coronapandemie übertragen werden kann. Denn nach den bisherigen objektiven wissenschaftlichen Erkenntnissen (bspw. bzgl. Ansteckungsgefahr, Krankheitsverlauf, Todesrate) ist diese nicht mit bisherigen Krankheiten, wie einer üblichen „Grippewelle“, vergleichbar.

Im Ergebnis dürfte sich die vermittelnde Ansicht durchsetzen, die eine Impfpflicht am Arbeitsplatz für grundsätzlich unzulässig hält, in seltenen Einzelfällen die Arbeitgeberinteressen aber überwiegen können und somit dort eine Impfpflicht zulässig sein kann.

5. Abweichungen in bestimmten Beschäftigungsbereichen

In bestimmten Beschäftigungsbereichen (insb. im Gesundheitswesen) erscheint es angebracht bei der Interessenabwägung einen weiteren Aspekt stärker zu berücksichtigen – die besondere Gefährdungslage für den Arbeitnehmer selbst und andere Personen.

Es geht an diesem Punkt hauptsächlich um die von § 2 Abs. 1 Nr. 2 ff. CoronaImpfV erfassten Arbeitnehmern wie solche, die in stationären Einrichtungen wie Pflegeheimen tätig sind.

Nach bisher noch überwiegender Auffassung kann der Arbeitgeber selbst in diesem Beschäftigungsbereich keine allgemeine Impfpflicht anordnen, da auch in diesem Bereich die Interessenabwägung zugunsten der Arbeitnehmer ausfallen soll. Neben den bereits unter Ziff. 4 genannten Argumenten gegen eine Impfpflicht, wird an dieser Stelle auf den Unterschied zur oben erwähnten „Masernimpfpflicht“ verwiesen. Im Rahmen der Corona-Impfung wurde bisher zwar nachgewiesen, dass diese zu einem hohen Eigenschutz führt, eine sterile Immunität wird trotz einer erheblichen Verringerung der Ansteckungsgefahr jedoch nach derzeitiger Studienlage nicht erreicht. Bezüglich der Masern-Impfung wurde hingegen sowohl der Eigen- als auch der Fremdschutz wissenschaftlich bestätigt.

Allerdings erhält in der Diskussion um diese sensiblen Beschäftigungsbereiche die Meinung, dass eine Impfpflicht in dem hier angesprochenen Beschäftigungsbereich zulässig sein soll, stetigen Zulauf. Die Interessenabwägung fällt hiernach zugunsten der Arbeitgeber- / Dienstherrninteressen aus. Zum einen wegen des erhöhten Kontakts mit anderen Beschäftigten und vor allem vulnerableren Personen. Zudem muss gerade in Pandemiezeiten dafür gesorgt werden, dass die medizinische und pflegerische Versorgung aufrechterhalten wird, wofür gerade die im Gesundheitswesen Beschäftigten unerlässlich sind.

Zum anderen wird darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber / Dienstherr gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 IfSG vor allem in diesem Bereich sicherzustellen hat, dass dort alle nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden – genau dazu dient die Impfung. Auch die Durchführung von (Schnell-)Tests oder das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes dürften als mildere Mittel zumindest nicht gleich geeignet sein um einen entsprechenden Schutz zu gewährleisten.

6. Fazit

In der aktuellen Situation ist die arbeitgeberseitige Anordnung einer Impfpflicht in den meisten Beschäftigungsbereichen wohl rechtlich unzulässig. Sollte jedoch eine erneute Verschärfung der Coronapandemie, ggf. in Form einer „4. Welle“ bevorstehen oder sogar eintreten, kann es u.U. angebracht sein, bei der Interessenabwägung andere Prioritäten zu setzen und stärkere Eingriffe in die Grundrechte der Arbeitnehmer zuzulassen.

Auch wenn die Abwägungsverlagerung (arbeits-)rechtlich zunächst als etwas „Neues“ erscheinen mag, ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Coronapandemie einige „Neuerungen“ in Kraft getreten sind – vgl. Lockdown-Vorschriften, Modifizierung der Vorschriften zum Kurzarbeitergeld, Aussetzung einiger Vorschriften des Insolvenzrechts, Homeoffice-Pflicht. Inwiefern die erheblich sinkenden Infektionszahlen und die steigende Durchimpfrate – aber auch neuere Mutationen des Corona-Virus – zu berücksichtigen sein werden, bleibt abzuwarten.