Kettenbefristungen und Rechtsmissbrauch

In zwei neueren Entscheidungen haben sich der Europäische Gerichtshof und das Bundes­arbeitsgericht mit der Frage der Zulässigkeit von sogenannten Kettenbefristungen befasst.

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gewährt Arbeitgebern die Möglichkeit, mit neu eingestellten Arbeitnehmern befristete Arbeitsverträge abzuschließen. Um Missbrauch vor­zubeugen, regelt § 14 Abs. II des TzBfG, dass eine Befristung ohne sachlichen Grund maximal für die Dauer von zwei Jahren, innerhalb derer ein befristeter Arbeitsvertrag bis zu drei Mal verlängert werden kann, zulässig ist. Über diesen Zeitraum hinaus kann eine Befristung nur dann erfolgen, wenn ein sachlicher Grund hierfür vorliegt. Mögliche Sachgründe sind in § 14 Abs. 1 TzBfG explizit aufgezählt, wobei diese Aufzählungen nicht abschließend sind.

§ 14 Abs. 1 Nr.3 TzBfG regelt den Sachgrund der Vertretung: Danach liegt ein sachlicher Grund dann vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers be­schäftigt wird. Häufig kommt es vor, dass der befristete Vertrag immer wieder – oft über Jahre hinweg- verlängert wird und stets der gleiche Sachgrund, nämlich die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers angeführt wird.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurde im Rahmen einer Entfristungsklage vor dem Arbeitsgericht stets nur der letzte befristete Vertrag auf seine Zulässigkeit hin überprüft. Entscheidend war somit nur, ob bei der letzten Befristungs­abrede ein Vertretungsgrund vorlag oder nicht. Unberücksichtigt blieb jedoch, wenn ein Ar­beitgeber wiederholt und dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückgriff, was den Schluss nahe gelegt hätte, von einem dauerhaften Vertretungsbedarf aufgrund einer zu dünnen Per­sonaldecke auszugehen, der ebenso durch unbefristete Einstellungen befriedigt werden könnte.

Der Europäische Gerichtshof urteilte am 26.01.2012, dass aus dem Umstand, dass ein Arbeitgeber wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückgreift und dass diese Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen gedeckt werden könnten, weder folgt, dass kein sachlicher Grund ge­geben ist, noch dass ein Missbrauch im Sinne der einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen vorliegt. Allerdings müssten die nationalen Stellen auch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen, da sie einen Hinweis auf Missbrauch geben könnten.

Darauf aufbauend entschied das Bundesarbeitsgericht am 18.07.2012, dass die Be­fristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegen eines Sachgrundes gegen Treu und Glauben verstoßen und damit rechtsmissbräuchlich sein kann. Hierfür müssen ent­sprechend der EuGH-Rechtsprechung alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere aber Gesamtdauer und Anzahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber ge­schlossenen aufeinander folgenden befristeten Verträge berücksichtigt werden. In dem konkreten Fall hatte die Arbeitnehmerin innerhalb von 11 Jahren insgesamt 13 befristete Arbeitsverträge gehabt. Dies sah das BAG als Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten an.

Fazit

Aufgrund der neuen Rechtsprechung spielt bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Be­fristungsabrede nicht mehr nur der aktuelle Vertrag eine Rolle, sondern es können zur Be­gründung einer wegen Rechtsmissbrauchs unwirksamen Befristung auch Dauer und Anzahl vorangegangener befristeter Arbeitsverträge herangezogen werden. In dem Fall dreht sich die Darlegungs- und Beweislast zugunsten des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass kein Missbrauch vorliegt.

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Ganz aktuell hat das LAG Köln am 11.10.2012 entschieden, dass auch eine Frau, die befristet zur Vertretung einer schwangeren Mitarbeiterin eingestellt werden soll, vor Abschluss des Arbeitsvertrages dem Arbeitgeber nicht offenbaren muss, dass sie schwanger ist. Die Frage nach der Schwangerschaft im Vorstellungsgespräch ist und bleibt damit unzulässig – auch wenn Zweck des Arbeitsverhältnisses eine Schwanger­schaftsvertretung ist.