Sieben auf einen Streich – Sieben Märchen aus dem Arbeitsrecht

1. Märchen – Drei Abmahnungen- eine Kündigung.

Es gibt weder eine Mindest- noch eine Höchstzahl an Abmahnungen, bevor man kündigen darf. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber wegen eines Verstoßes gegen arbeitsvertragliche Pflichten nur kündigen, wenn er das entsprechende Verhalten vorher abgemahnt hat. Dies ergibt sich aus der Warnfunktion der Abmahnung: dem Arbeitnehmer soll sein vertragswidriges Verhalten aufgezeigt und Gelegenheit zur Besserung gegeben werden. Es reicht aber dann eine einzige Abmahnung, wenn diese bestimmt genug formuliert ist und insbesondere die Konsequenz, also die drohende Kündigung, deutlich genug angekündigt hat. Nur bei besonders schwerwiegenden Verstößen im Vertrauensbereich (Beispiel: der Chef wird verprügelt; der Arbeitnehmer begeht einen Diebstahl) kann auch ohne vorangegangene Abmahnung fristlos gekündigt werden. In dem Fall ist zu prüfen, ob es dem Arbeitgeber nicht mehr zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis fortzuführen.

2. Märchen – Während der Krankheit darf nicht gekündigt werden.

Es kann entgegen der o.g. Vorstellung zu jeder Zeit und an jedem Ort gekündigt werden, auch am 24. Dezember eines Jahres (Kündigung unter dem Weihnachtsbaum). Es kann auch während des Urlaubs, während einer Krankheit sowie an Sonn- und Feiertagen gekündigt werden. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 05.04.2001 (Az. 2 AZR 185/00) ist selbst der Ausspruch einer Kündigung kurz nach der Beerdigung des Lebensgefährten nicht zu beanstanden.

3. Märchen – Bei Kündigung besteht Anspruch auf eine Abfindung.

Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung. Nur ausnahmsweise kann es einen Anspruch geben, wenn der Betriebsrat einen Sozialplan ausgehandelt hat und hierin ein Abfindungsanspruch festgelegt wurde. Des Weiteren kann eine Abfindung als Nachteilsausgleich gem. § 113 BetrVG beansprucht werden. Schlussendlich kann der Arbeitgeber gem. § 1 a KSchG bereits eine Abfindung anbieten. Auf diese besteht dann Anspruch, wenn der Arbeitnehmer das Angebot akzeptiert und keine Kündigungsschutzklage erhebt.

Gleichwohl werden häufig Abfindungen bezahlt. Oft ist der Arbeitgeber bereit, sich das Risiko eines ggfs. mehrere Jahre dauernden Prozesses mit negativem Ausgang abkaufen zu lassen. Hier kommt es dann aber auch entscheidend auf die Erfolgsaussichten im konkreten Verfahren an.

4. Märchen – Der Betriebsrat muss der arbeitgeberseitigen Kündigung zustimmen, sonst ist sie unwirksam.

Das stimmt nicht. Gem. § 102 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der beabsichtigten Kündigung ordnungsgemäß anhören. Die Zustimmung des Betriebsrates ist aber nicht notwendig. Selbst wenn der Betriebsrat widersprochen hat, kann der Arbeitgeber kündigen. Bei einem ordnungsgemäßen Widerspruch durch den Betriebsrat hat der Arbeitnehmer jedoch einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist, bis durch das Arbeitsgericht geklärt ist, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Erfahrungsgemäß sind jedoch 60-70% der Widersprüche der Betriebsräte unzulänglich und entfalten für die Arbeitnehmer keinen Schutz. Auch der Arbeitgeber hat Probleme, den Betriebsrat ordnungsgemäß anzuhören, weil er mit den gesetzlichen Voraussetzungen genauso wenig zurechtkommt, wie der Betriebsrat mit den gesetzlichen Voraussetzungen bei einem Widerspruch.

5. Märchen – Abfindung wird auf das Arbeitslosengeld angerechnet.

Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Man spricht korrekterweise nicht von einer Anrechnung der Abfindung, sondern von einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gem. § 158 SGB III für eine gewisse Zeit, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden ist und der Arbeitnehmer eine Abfindung erhält. Das Gesetz vermutet in diesen Fällen, dass in der Abfindung Arbeitsentgelt für den Zeitraum zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist enthalten ist. Kommt es zu einem Ruhen des Arbeitslosengeld-Anspruchs, muss der gekündigte Arbeitnehmer eine Zeit lang von seiner Abfindung leben. Wie lange das dauert, hängt von seinem Lebensalter und seiner Betriebszugehörigkeit ab. Hält der Arbeitgeber bei einer Kündigung die ordentliche Kündigungsfrist nicht ein und bietet stattdessen eine Abfindung an, ist daher Vorsicht geboten! Im Zweifel sollte man sich über die Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld beraten lassen.

6. Märchen – Wenn ich meinen Arbeitsplatz verloren habe, dann habe ich automatisch einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis.

Der ausscheidende Arbeitnehmer hat zwar gem. § 109 Abs. 1 S. 1 GewO bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Dies muss jedoch der Arbeitnehmer auch beanspruchen, d. h. er muss das Zeugnis beim Arbeitgeber – am besten schriftlich- geltend machen. Tut er das nicht, wird er auf das Zeugnis unter Umständen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten müssen. Zu beachten sind hier auch Ausschlussfristen in Tarifverträgen oder dem Arbeitsvertrag. Oftmals müssen die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer bestimmten Frist nach dem Ausscheiden geltend gemacht werden, anderenfalls verliert man den Anspruch.

7. Märchen – Ich kann jeden Vertrag binnen 14 Tagen widerrufen.

Falsch – und sehr gefährlich- ist die Vorstellung, man könne jeden geschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen widerrufen. Das Widerrufsrecht gem. § 355 BGB findet keine Anwendung auf Arbeitsverträge und Aufhebungsverträge. Will man sich den Widerruf vorbehalten, muss man ein Widerrufsrecht in den Vertrag aufnehmen. Ansonsten bleibt bei einem einmal geschlossenen Vertrag nur die Anfechtung. Diese muss unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern, maximal binnen drei Tagen- erfolgen und bedarf zu ihrer Wirksamkeit eines Anfechtungsgrundes. Anfechtungsgründe können entweder Irrtum, arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung sein. In den beiden letzteren Fällen beträgt die Anfechtungsfrist ein Jahr. Da man als Arbeitnehmer das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes vor Gericht darlegen und beweisen muss, empfiehlt es sich, im Zweifel einen vorgelegten Aufhebungsvertrag lieber nicht zu unterschreiben, sondern sich zuvor hierüber beraten zu lassen.