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Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag

In Deutschland gibt es, wie in jeder Gesellschaft, Tabus. Über das eigene Gehalt zu sprechen, gilt in Deutschland häufig als unhöflich. Auch Fragen nach dem Gehalt anderer Personen gelten als unangebracht.

In Arbeitsverträgen wird dieses gesellschaftliche Tabu in Form einer Verschwiegenheitsklausel oftmals ver-festigt.

Fallbeispiel:

Im Arbeitsvertrag von M. Fischer findet sich folgende Klausel:

„Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln, im Interesse des Arbeitsfriedens auch gegenüber anderen Firmenangehörigen.“

Mit seinen Kollegen plaudert Herr Fischer über sein Gehalt.

Hat Herr Fischer durch eine mögliche Pflichtverletzung rechtliche Folgen aufgrund dieser Verschwiegenheitsklausel zu befürchten?

Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, ob Verschwiegenheitsklauseln bezüglich des Entgelts in Arbeitsverträgen zulässig sind.

Zunächst gilt in Verträgen der Grundsatz der Privatautonomie, in vertraglichem Einvernehmen kann Entsprechendes vereinbart werden.

Koalitionsfreiheit

Artikel 9 III GG schützt das Recht der Arbeitnehmer, sich in Gewerkschaften und Betriebsräten zusammenzuschließen, um ihre Interessen zu vertreten. Das Verbot der Gehaltsdiskussion kann die Arbeitnehmer in ihrer Fähigkeit beein-trächtigen, sich effektiv zu organisieren und für ihre Rechte einzutreten.

Gleichbehandlungsgrundsatz:

Arbeitnehmer haben ein Recht darauf, zu erfahren, ob sie für gleichwertige Arbeit fair bezahlt werden. Das Verbot der Gehaltsdiskussion kann dazu führen, dass Arbeitnehmer unrechtmäßig benachteiligt werden, da sie keine Möglichkeit haben, ihre Gehälter zu vergleichen.

Eine gesetzliche Festlegung des Gleichbehandlungsgesetzes findet sich dabei auch in §§ 1ff. AGG, wonach gem. § 2 I Nr. 2 eine Benachteiligung aus in § 1 AGG genannten Gründen bezüglich des Arbeitsentgelts unzulässig ist und in § 75 I BetrVG, sowie seit 2017 in den Regelungen des Entgelttransparenz-gesetzes (bspw. Gender-Pay-Gap).

Fazit:

Aufgrund der Koalitionsfreiheit und des Gleichbehandlungsgrundsatzes hat Herr Fischer weder eine Kündigung noch eine sonstige rechtliche Folge zu befürchten.

Zugleich ist er auch nicht verpflichtet, sein Gehalt preiszugeben. Klauseln wie die aus dem Arbeitsvertrag von Herrn Fischer sind nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

Ein Blick nach Schweden:

In Schweden ist es jedem möglich, bei der Steuerbehörde Auskunft über die versteuerten Einnahmen von jedem anderen Schweden zu erlangen – mit einer Ausnahme: nur der König bleibt geheim!

 

kanzlei@wirlitsch-arbeitsrecht.de

Michael D. Wirlitsch Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, M.A.E.S. (Univ. Basel) Lehrbeauftragter an der Universität Konstanz, Arbeitsrecht für Geisteswissenschaftler; Mitkommentator des Landespersonalvertretungsrecht für Baden Württemberg, 3. Auflage 2016