Nach einem aktuellen Urteil des Arbeitsgerichtes Berlin (vom 26.10.2012 – 28 Ca 18230/12) muss der Arbeitgeber es darlegen und beweisen, wenn er dem Arbeitnehmer eine schlechtere Bewertung der Gesamtleistung als „gut“ erteilen möchte.
I. Was hat das Arbeitsgericht Berlin in seinen Leitsätzen festgestellt?
1. Will der Arbeitnehmer anstelle des unter Verwendung der sogenannten „Notenskala“ als „befriedigend“ erteilten Zeugnis eine „gute“ Gesamtbewertung erreichen, so obliegt es im Rechtsstreit dem Arbeitgeber, diejenigen Tatsachen beizubringen, die dem entgegenstehen (sollen).
2. Angesichts aktueller empirischer Erkenntnisse, wonach mittlerweile in 86,6 v.H. der erteilten Arbeitszeugnisse „gut“ oder bessere Leistungen bescheinigt werden (siehe dazu Franz Josef Duewell/Holger Dahl, NZA 2011, 958 ff.), kann dem Arbeitnehmer nicht länger der Nachweis dafür auferlegt werden, er sei in der Gruppe der schwächsten, 13,4 v. 100, aller Beschäftigten zu unrecht eingereiht worden.
II. Wie wird rechtlich argumentiert?
Nach § 109 GewO ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein leistungsgerechtes Zeugnis zu erteilen. „Gut“ im Sinne der Zufriedenheitsskala ist ein Arbeitnehmer nur dann, wenn ihm bescheinigt wird, er habe „stets“, „immer“ oder „durchgehend“ zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers gearbeitet. Wird dem Arbeitnehmer lediglich eine befriedigende Gesamtleistung attestiert und macht dieser die Bewertung „gut“ im Klageverfahren geltend, so muss nach der Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Berlin der Arbeitgeber die Tatsachen beibringen, die dem entgegen stehen sollen. Der Arbeitgeber hat dabei Gründe zu nennen und gegebenenfalls zu beweisen, warum die Leistung des Arbeitnehmers schlechter als der Durchschnitt sein soll.
Hier können beispielsweise erteilte Abmahnungen, insbesondere in schriftlicher Form, herangezogen werden, die noch Wirkung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses entfalten. Zudem können auch Geschehensabläufe aus dem Arbeitsverhältnis geschildert und unter Beweis, z. B. durch Zeugenvernehmung, gestellt werden. Entscheidend ist aber, dass der Arbeitgeber diesen Geschehensablauf so konkret schildert, dass der Arbeitnehmer Gelegenheit hat, sich hieran zu erinnern und die Behauptung entweder einzuräumen oder aber ihr konkret zu widersprechen. Dies war dem Arbeitgeber in dem vom Arbeitsgericht Berlin entschiedenen Fall nicht gelungen, sodass er nicht beweisen konnte, dass die Gesamtbewertung der Leistung der betreffenden Arbeitnehmerin lediglich als „befriedigend“ zu bewerten war. Er wurde daher verurteilt, der Arbeitnehmerin ein Arbeitszeugnis mit der Gesamtbewertung der Leistung „gut“ zu erteilen.
III. Wie war die Rechtslage bislang?
Nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG, 9. Senat, Urteil vom 14.10.2003) galt bisher die Note „befriedigend“ als durchschnittlich. Das bedeutete, dass der Arbeitnehmer, der eine überdurchschnittliche Beurteilung – also die Note „gut“ oder besser- anstrebte, die hierfür erforderlichen Tatsachen beibringen musste. Er musste also schildern, warum seine Leistungen überdurchschnittlich gewesen sein sollen und dies anhand von konkreten Geschehensabläufen darlegen. Eine weitere Möglichkeit war, sich auf ein früher erteiltes gutes Zwischenzeugnis zu berufen.
Der Ansatzpunkt der Rechtsprechung, dass bei Verwendung der üblichen Notenskala „durchschnittlich“ mit „befriedigend“ gleichzusetzen sei, entspricht jedoch nicht mehr der in Deutschland üblichen Praxis. Vielmehr pflegen die Noten „sehr gut“ und „gut“ heute bei weitem häufiger vergeben zu werden als die empirisch längst auf ein Schattendasein verwiesene Note „befriedigend“ als Mittelmaß.
IV. Was sagt die Fachliteratur?
Sie hat mit Recht die Schlussfolgerung gezogen, dass dem Arbeitszeugnis heute bei nicht weniger als 86,6 v. 100 (sehr) guter Leistungsbeurteilungen nichts mehr über die tatsächliche Leistungsfähigkeit einer Arbeitsperson entnommen werden kann.
V. Welchen Vorteil haben Arbeitnehmer durch das neue Urteil?
Jeder der ein Zeugnis erhält, das schlechter als gut ist, kann mit größerer Erfolgswahrscheinlichkeit versuchen, eine bessere Zeugnisnote durchzusetzen. Zu beachten ist aber, dass es sich um ein erstinstanzliches Urteil handelt und abzuwarten bleibt, ob das Bundesarbeitsgericht sich dieser Auffassung anschließt.