Deutscher Kündigungsschutz gilt auch bei Betriebsverlagerung in die Schweiz

Der deutsche gesetzliche Kündigungsschutz der Arbeit­nehmer beim Verkauf eines Betriebes gilt auch, wenn die Arbeits­plätze von Deutschland in die Schweiz verlagert werden.

Der Arbeitgeber kann dann nicht wegen einer Betriebsstilllegung kündigen, so hat das Bundes­arbeitsgericht in Erfurt im Urteil vom 26.05.2011 (vgl Pressemitteilung BAG 4/11) entschieden.

Ist für einen Arbeitsvertrag deutsches Recht maßgeblich, ist die Frage, ob ein Betriebsübergang vorliegt nach dem deutschen § 613 a BGB zu beurteilen.

Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Betriebsteil in die Schweiz verlagert wird.

Um welchen Sachverhalt geht es konkret?

Der Ausgangsfall ist ein typischer Fall für die Grenzregion Deutschland/Schweiz.

Der Arbeitgeber ist eine in Südbaden ansässige Konzerntochter, deren Mutter auch in der Schweiz Unternehmungen hat. Vor rund zwei Jahren wurde ein Betriebsteil von Südbaden in die Schweiz verlegt, dabei wurden die wesentlichen materiellen und immateriellen Produktionsmittel zu einem weniger als 60 km entfernten neuen Standort gebracht.

Einem Arbeitnehmer, für den das deutsche Arbeitsrecht maßgeblich ist, wurden vom Arbeit­geber zwei Kündigungen wegen Betriebsstilllegung ausgesprochen. Der Betriebsingenieur lehnte das Angebot eines neuen Arbeitsvertrages mit dem Schweizer Unternehmen ab.

Wie haben die Gerichte den Fall beurteilt?

Die Kündigungen waren sowohl laut dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württem­berg (LAG Baden-Württemberg 8 AZR 37/10), als auch auf Grund des Bundesarbeitsgerichts unwirksam.

Der Arbeit­geber kann sich zur Begründung der Kündigung nicht auf eine Betriebsstilllegung berufen, da der Betriebsteil auf das Schweizer Unternehmen übertragen wurde. Dies ist ein Betriebs­übergang gemäß § 613 a BGB, der eine Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündi­gung durch dringende betriebliche Gründe ausschließt.

Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Ar­beitnehmer zu unrecht entlassen wurde. Auch das ihm vorgelegte Angebot zur Weiterarbeit für weniger Lohn in der Schweiz muss er nicht an­nehmen.

Welche Konsequenzen hat diese Entscheidung für Arbeitnehmer vor Ort?

Für Arbeitnehmer hier in der Grenzregion bedeutet dies, dass sich Arbeit­nehmer nicht mit ihrem Betrieb in die Schweiz verlagern lassen müssen oder sich mit diesem Betrieb verkaufen lassen müssen.

Arbeitnehmer haben, so Rechtsanwalt Wirlitsch, gemäß § 613 a Abs. 6 BGB die Möglichkeit innerhalb eines Monats nach Unterrichtung über den Betriebsübergang zu widersprechen. Laut Rechtsanwalt Wirlitsch ist in der Grenzregion Deutschland/Schweiz immer wieder zu beob­achten, dass versucht wird das deutsche Arbeitsrecht, das in wesentlichen Punkten strenger ist als das Schweizer Arbeitsrecht, zu umgehen. Es stellt einen Lernprozess auch für Schweizer Unternehmen dar, die in der deutschen Grenzregion zur Schweiz gute Geschäfte machen, dass dann auch die Regeln die in Deutschland gelten, verbindlich sind. Das Arbeits­recht stellt hier keine Ausnahme dar. Diese Klar­stellung des Bundesarbeitsgerichts ist hier zu begrüßen.

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Wirlitsch sollten Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten und für die das deutsche Arbeits­recht gilt, ihre gesetzlichen Rechte auch dann wahrnehmen, wenn der Arbeitgeber ein Schweizer Unternehmen ist.